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Empathie als Designmittel Personas im User Experience Design

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Schlagworte: User ExperienceUsabilityPersonaUX Design

Personas gehören zu den besonders praktischen und flexiblen Hilfsmitteln in der menschzentrierten Gestaltung von Produkten. Sie machen die Ergebnisse aus der Nutzerforschung greifbar und sind daher wichtige Bausteine auf dem Weg zu einer guten User Experience.

Was sind Personas?

Lassen wir direkt zu Beginn Alan Cooper zu Wort kommen – er hat die Methode der Persona in die User-Experience-Design-Community eingeführt und definiert Personas wie folgt:

Personas are not real people, but they represent them throughout the design process. They are hypothetical archetypes of actual users.
Alan Cooper, The Inmates Are Running the Asylum (2004)

Personas sind also keine realen, aber realistische Beschreibungen von Nutzern. Es sind Archetypen – das heißt, sie sind keine existierenden Personen, aber sie sind auch nicht frei erfunden. Im Gegenteil: eine erfundene Persona, genannt Ad-Hoc-Persona, kann zu falschen Design-Entscheidungen führt – man denkt, man würde für seine Nutzer gestalten, aber in Wahrheit gestaltet man an ihnen vorbei, weil man sie gar nicht kennt. In diesem Beitrag möchte ich Ad-Hoc-Personas daher ausklammern, wenngleich es durchaus Hinweise gibt, dass sie unter bestimmten Umständen nützlich sein können (Nielsen, 2019). Ich möchte mich vielmehr auf Personas konzentrieren, die auf Basis von Nutzer:innenforschung erstellt wurden. Diese Personas beruhen auf Mustern von Verhaltensweisen, aus denen sich spezifische Bedürfnisse von Nutzer:innen ableiten lassen (Cooper et al., 2014).

Personas repräsentieren Zielgruppen, sind aber nicht mit ihnen identisch

Beispiel für eine Persona namens „Michael“ mit detaillierten Informationen
Personas machen Erkenntnisse aus der Nutzerforschung greifbar.

Als ich vor einiger Zeit die Idee einer Persona mal in eine Marketing-Abteilung eingebracht hatte, blickte ich direkt in (vermeintlich) wissende Augen: klar, Zielgruppe. Aber so ganz trifft es das nicht – Personas repräsentieren zwar die Zielgruppen und hauchen ihr Leben ein, aber sie sind doch nicht dasselbe:

  • Zielgruppen beruhen auf quantitativen Erhebungen — man sucht sich einen (selten einige wenige) Parameter (zum Beispiel soziodemographische Daten oder Einstellungen) und untersucht dessen Ausprägung. Das nutzt man dann, um Menschen in Gruppen einzuteilen, beispielsweise in Sinus-Milieus, die auf Lifestyle beruhen. Zielgruppen machen die vielen Individuen in diesen Gruppen also einfacher zu handhaben, weil sie Komplexität auf einige wenige Parameter reduzieren, die man für die Business-Entscheidungen für relevant hält.
  • Designer brauchen jedoch etwas anderes: Empathie. Sie müssen die Bedürfnisse, Emotionen und Verhaltensweisen von Nutzer:innen verstehen. Personas machen sich die menschliche Fähigkeit zu Nutze, uns in andere Menschen hineinversetzen und Vorhersagen treffen zu können, wie sich diese Menschen in definierten Situationen verhalten könnten. Gerade die Detailliebe und Subjektivität von Personas hilft uns bei dieser Aufgabe (Grudin, 2006). Um das zu schaffen, dürfen Personas eben nicht durchschnittlich sein.

There is no such thing as the average person.
Don Norman, The Design of Everyday Things (2013)

Das heißt: Um eine Persona zu erstellen, kann man sich eben nicht mal einfach ein paar Statistiken nehmen und die durchschnittlichen Ergebnisse in einen fiktiven Charakter vereinen. Warum? Weil es keine durchschnittlichen Menschen gibt. In seinem Buch „Human Performance Engineering: A guide for systems designers“ hat der Wissenschaftler R.W. Bailey 4.063 zufällig ausgewählte Menschen untersucht. Seine Frage: Wie genau stimmen diese Menschen mit durchschnittlichen Merkmalen wie Körpergröße, Gewicht und Kniehöhe überein? Die Ergebnisse waren eindeutig:

  • 1.055 Menschen, also 25,9% des Samples entsprachen in etwa der durchschnittlichen Größe.
  • Nimmt man jedoch ein zweites Merkmal hinzu, reduzierte sich diese Zahl schon auf 302 Personen – gerade einmal 7,4% des Samples waren noch in zwei Merkmalen durchschnittlich.
  • Diese Werte gingen rapide nach unten, als die Forscher weitere Merkmale hinzuzogen. Nach dem zehnten Merkmal war niemand mehr übrig.

Das bedeutet: In Durchschnitten zu denken und auf diese Weise die Reichweite erhöhen zu wollen funktioniert im Marketing ganz gut, wenn man die Bevölkerung auf eines oder einige wenige Merkmale reduzieren kann. Im Design aber geht es darum, den gesamten Menschen ins Blickfeld zu nehmen, mit all seinen Bedürfnissen – und hier ist das Denken in Durchschnitten kontraproduktiv, weil es die typischen menschlichen Unterschiede wegrationalisiert.

Personas are individually and vividly described representatives of the target group or a customer segment.
Marco Spies, Branded Interactions (2015)

Zielgruppen und Personas sind also zwei Seiten einer Medaille: der Versuch, Bedürfnisse und Verhaltensweisen von Menschen zu verstehen. Aber während es bei Zielgruppen um statistische Repräsentativität geht, zielen Personas auf realistische Beschreibungen von Nutzern ab, auf deren Basis man Design-Entscheidungen treffen kann.

Marktsegmente werden bei der Rekrutierung von Teilnehmenden für die Interviews berücksichtigt, aus denen dann Personas abgeleitet werden
Marktsegmente und Personas: Die Rekrutierung von Teilnehmenden für die Interviews kann aus Marktsegmenten erfolgen. Personas werden dann aus den Erkenntnissen dieser Interviews abgeleitet.

Wozu nutzt man Personas?

Personas sind besonders bei der Generierung von Ideen sowie beim Treffen und Kommunizieren von Design-Entscheidungen ein großes Hilfsmittel. Sie haben mehrere Vorteile:

  • Personas helfen dabei, den Fokus auf den Nutzer nicht zu verlieren – man kann sie gut sichtbar irgendwo aufhängen. Und jede Design-Entscheidung kann auf die Persona bezogen werden: Würde diese Lösung ihren Bedürfnissen entsprechen?
  • Durch ihre konkrete Natur sind Personas gut geeignet, um Empathie mit den eigenen Nutzern zu entwickeln – eine unverzichtbare Voraussetzung für nutzerzentriertes Gestalten von Produkten. Das ist auch der Grund dafür, Personas immer auf Basis von Nutzerforschung zu erzeugen, damit man sich nicht an unrealistischen Fantasie-Personen orientiert.
  • Personas vereinfachen das Brainstorming und das Generieren von Ideen. Brangier et al. (2012, zitiert in Lallemand & Gronier 2015) konnten in einer Studie zeigen, dass Personas zu einer höheren Anzahl sowie besseren Qualität von Ideen führen können.
  • Sie sind außerdem ein gutes Hilfsmittel, um die Ergebnisse der Recherche zu kommunizieren – einladender als ein Dokument mit Statistiken.

Personas sind allerdings auch nicht ohne ihre Probleme. Besonders viele Kritikpunkte beziehen sich beispielsweise auf Ad-Hoc-Personas, weil sie nicht auf Forschung mit Nutzerinnen und Nutzern beruhen. Dabei ist das Risiko von Falschannahmen hoch. Aber auch Personas, die nach ausgiebiger Forschung erstellt worden sind, haben ihre Schattenseiten (Salminen et al., 2018):

  • Als qualitative Methode sind Personas beispielsweise nicht einfach zu validieren. Verschiedene Wissenschaftlerinnen und UX-Experten haben daher Verfahren entwickelt, Personas aus quantitativen Daten abzuleiten, etwa Analytics-Daten für die automatisierte Erstellung von Personas (Salminen et al., 2019) oder Umfragen, die mittels explorativer Faktorenanalyse in Persona-Cluster überführt werden (McGinn & Kotamraju, 2008). Solche automatisiert erstellten Personas können auch einfacher aktualisiert werden zu können, wenn sich das Nutzungsverhalten verändert (Salminen et al., 2019).
  • Allerdings gibt es auch für qualitative Personas Möglichkeiten der Validierung – ich habe in dem Prozess unten einige davon integriert.
  • Ein weiterer großer Nachteil ist, dass Personas letztlich statische Dokumente sind. Dynamische Prozesse, beispielsweise die einzelnen Schritte von Nutzerinnen in der Interaktion mit einem Produkt, lassen sich mit Personas nicht gut abbilden. Aus diesem Grund kombiniert man sie häufig mit anderen Methoden, beispielsweise Experience Maps.

Welche Arten von Personas gibt es?

Personas können nach ihrer Bedeutung in verschiedene Typen unterteilt werden:

  • Primäre Personas repräsentieren die Nutzer, an die sich ein Produkt an erster Stelle richtet. Im Idealfall sollte ein Produkt immer nur eine primäre Persona ansprechen, aber das ist natürlich nicht immer zu erreichen. Wichtig ist aber zu berücksichtigen: Je mehr primäre Personas in einem Projekt berücksichtigt werden sollen, umso größer ist das Risiko, dass sich das Produkt am Ende niemanden zufrieden stellen kann.
  • Besser ist es meist, mit mehreren sekundären Personas zu arbeiten. Ihre Bedürfnisse werden zwar berücksichtigt, allerdings nur wenn sie nicht mit denen der primären Personas in Widerspruch stehen.
  • Negative Personas sind explizit nicht Teil der Konzeption. Es kann aber dennoch helfen sie zu definieren, um ein deutlicheres Bild davon zu bekommen, was das Produkt eben nicht tun sollte. Das kann bei der Abgrenzung vom Wettbewerb helfen.
  • Gerade im Business-Umfeld kann es hilfreich sein, eine Käufer-Persona (Customer Persona oder Buyer Persona) zu erstellen. In diesem Umfeld entscheidet oft eine andere Person darüber, welche Produkte und Services für die jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer angeschafft werden. Eine Buyer Persona repräsentiert also keinen Nutzer, entscheidet jedoch darüber, welches Produkt die späteren Nutzer verwenden müssen. Ihre Bedürfnisse sind daher durchaus von Bedeutung.
  • Eine betroffene Persona nutzt ein Produkt oder einen Service selbst nicht, wird allerdings durch die Verwendung beeinflusst. So kann die Verfügbarkeit von Kameras in Smartphones und Smart Glasses beispielsweise dazu führen, dass Bilder von Unbeteiligten gemacht werden. Gerade aus ethischen Gesichtspunkten sind diese betroffenen Personas von großer Bedeutung – und soziale Faktoren tragen entscheidend zum Erfolg oder Misserfolg zahlreicher Produkte bei.
  • Zahlreiche Produkte und Services, an den Gestalterinnen und Gestalter mitwirken, wirken sich nicht nur auf die Menschheit aus, sondern haben auch Folgen für Tiere, Pflanzen und Umwelt. Die Designerin Monika Sznel hat daher in einem Artikel für das UX Collective die Nutzung von nicht-menschlichen Personas vorgeschlagen. Menschzentrierte Gestaltung wird dabei zu einem Ansatz, die Auswirkungen auf komplexe Systeme in den Blick zu nehmen und die Zukunft zu gestalten.
  • Schließlich gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe von zusätzlichen Personas bisher vernachlässigte Menschen in dir Konzeption aufzunehmen. In ihrem Buch „Design for Real Life“ regen Eric Meyer und Sara Wachter-Boettcher dazu an, bei der Persona-Einstellung ganz bewusst auf unterschiedlichste Einschränkungen zu achten. Das kann helfen, auch Menschen zu berücksichtigen, deren Bedürfnisse nicht alltäglich sind, aber den anderen Nutzern nicht schaden. Achtet auf Accessibility – davon profitieren alle Menschen gleichermaßen. Und bedenkt, wie jemand in einer Krisen-Situation mit einem Produkt umgeht.
  • Noch einen Schritt weiter geht das Verfahren der Persona-Spektren. Ein Problem beim inklusiven Design ist, dass sich die Vielzahl von Einschränkungen nur schwer in statischen Personas abbilden lässt – dazu wären schon eine ganze Menge zusätzlicher Personas notwendig. Microsofts Inclusive Design Toolkit definiert drei Arten von Einschränkungen: dauerhafte, temporäre und situationsbedingte, die sich jeweils auf alle Sinne beziehen können. Eine Seheinschränkung kann also zum Beispiel bedeuten, dass eine Person blind ist (dauerhafte Einschränkung), an einer Augenkrankheit leidet (temporäre Einschränkung) oder abgelenkt wird (situationsbedingte Einschränkung). Um solche Überlegungen beim Design zu berücksichtigen, schlägt das Toolkit die Methode der Persona-Spektren vor. Statt also von festen Eigenschaften auszugehen, die einer Persona zugeschrieben werden, überlegen sich Designerinnen und Designer, wie sich ihre Eigenschaften auf einem Spektrum von dauerhaft, temporär und situationsbedingt bewegen. Solche Persona-Spektren nehmen also den Einfluss von Kontext in den Blick, wie es Doug Kim auf Medium formuliert.

Zu bedenken ist außerdem, dass es durchaus Unterschiede zwischen verschiedenen Autoren gibt, die über Personas schreiben (Floyd et al., 2008; Nielsen, 2019). So legen verschiedene Autoren andere Schwerpunkte und gehen beispielsweise stärker auf Ziele (Cooper), Rollen (Adlin, Pruitt & Grudin) oder Engagement durch Storytelling (Nielsen) ein.

Wie erstellt man Personas?

Personas beruhen am besten auf Forschung mit Nutzerinnen und Nutzern. Alan Cooper hat beobachtet, dass die Ergebnisse aus Recherchen oft zu abstrakt sind, um als Wegweiser im Design-Prozess zu dienen. Personas machen diese abstrakten Ergebnisse greifbar. Sie umfassen alle Informationen, die nötig sind, um die Bedürfnisse von Nutzerinnen nachvollziehbar zu machen:

  • Identität der Persona: Zunächst einmal gehören dazu alle persönlichen Angaben wie Name, Alter, Beruf oder Familienstand.
  • Einstellungen, Werte, Ziele: Oft sind auch Informationen zu Werten und Zielen, ein individuelles Motto, oder der Lebensstil einer Persona von Interesse. Besonderer Fokus liegt dabei auf Aspekten, die für das Produkt relevant sind – etwa, was eine Persona frustriert oder erfreut. Außerdem sollten alle Charaktereigenschaften und Fähigkeiten berücksichtigt werden, die für das Produkt wichtig sind.
  • Kontext der Nutzung: Schließlich sind Informationen wichtig, in welchem Kontext eine Persona das Produkt nutzen wird. Dazu zählen ihre konkreten Nutzungsabsichten, die Häufigkeit der Nutzung sowie in welcher Umgebung dies geschieht.

Menschzentrierte Gestaltung funktioniert nur, wenn menschliche Bedürfnisse ins Zentrum der Gestaltung gesetzt werden. Die Diversität dieser menschlichen Bedürfnisse ist jedoch hoch. Das Ziel von Personas ist es daher, diese Vielfalt darzustellen, indem die typischen Muster herausgearbeitet werden (Cooper et al., 2014). Zu viele Details sollten es jedoch auch nicht sein, damit die Persona schnell erfassbar bleibt. Das ist ein Vorteil, wenn man eines der unten genannten Templates nutzt – der Platz ist dabei von vorne herein eingeschränkt, so dass man sich auf die wesentlichen Informationen konzentrieren muss.

As a design tool, it is more important that a persona be precise than accurate.
Alan Cooper, The Inmates Are Running the Asylum (2004)

Verschiedene Autor:innen haben Vorschläge gemacht, wie man am besten dabei vorgeht (Acuña et al., 2012; Cooper et al., 2014; Grudin & Pruitt, 2003; Nielsen, 2019). Dabei haben die verschiedenen Prozesse durchaus einige Unterschiede. Hier erstelle ich einen Vorschlag, der verschiedene Ideen aus der Literatur aufgreift und synthetisiert. Die Entwicklung von Personas kann dabei in vier Phasen mit mehreren Schritten eingeteilt werden. Es ist aber nicht in jedem Projekt notwendig, alle diese Schritte zu durchlaufen – wichtig ist, dass die Personas für das jeweilige Projekt funktionieren und die eigene Zielgruppe adäquat beschreiben.

Visualisierung eines Prozesses zur Erstellung von Personas, mit zwölf Schritten in vier Phasen. Die Darstellung entspricht der Textbeschreibung in den folgenden Abschnitten
Prozess zur Erstellung von Personas in vier Phasen

Phase 1: Definition und Datensammlung

Personas stehen und fallen mit den Daten, auf denen sie beruhen. Am Beginn empfiehlt es sich daher genau zu definieren, welche Zielgruppen für die Erstellung der Personas berücksichtigt werden sollen.

  • Schritt 1 – Zielgruppen für die folgende Datensammlung definieren: Ausgangsbasis für die Zielgruppen sind oft vorhergehende Studien, etwa Marktforschung, Meinungsumfragen oder wissenschaftliche Studien (Grudin & Pruitt, 2003; Nielsen, 2019), aber auch eigene Überlegungen und Beobachtungen. Aus diesen Daten lässt sich eine Übersicht erstellen, welche Gruppen potenzieller Nutzer:innen befragt werden sollen. Diese Übersicht dient dazu, Personen für die Datensammlung zu rekrutieren. Einige Autoren empfehlen auch, Hypothesen auszuarbeiten (Acuña et al., 2012): Wie glauben wir, dass unsere Nutzer:innen sind? Diese Hypothesen erlauben es, die eigenen Annahmen zu überprüfen.
  • Schritt 2 – Teilnehmende rekrutieren und Daten sammeln: Typischerweise werden zur Datensammlung Interviews mit Personen aus den identifizierten Zielgruppen geführt, die auch mit Beobachtungen kombiniert werden können (etwa im kontextuellen Interview bzw. Contextual Inquiry, bei dem Nutzer:innen in realen Kontexten beobachtet und zu den verschiedenen Schritten ihrer Aktivitäten befragt werden). Hier gilt es, so viel Wissen über die potenziellen Nutzer:innen wie möglich zu gewinnen – insbesondere tiefgehendes Wissen über Motivationen und Ziele.

Phase 2: Kriterien (Variablen) für Personas definieren

Sind die Daten gesammelt, geht es an die Analyse, um die Grundlagen für die späteren Personas zu schaffen. Bei Personen heißt dies insbesondere, die Kriterien (oder Variablen) sowie deren Ausprägung herauszuarbeiten, in denen sich die Personas unterscheiden werden.

  • Schritt 3 – Variablen definieren: Alle Handlungen, Werte, Motivationen und Fähigkeiten könnten Kriterien sein, die Personas voneinander unterscheiden (Cooper et al., 2014). Alle Kriterien, die während der Datensammlung beobachtet wurden, werden zunächst als Kandidaten für Variablen aufgelistet. Hier sind insbesondere Variablen wichtig, die Verhaltensweisen und Einstellungen repräsentieren. Falls es schwierig sein sollte, die Variablen aus der Vielzahl an Daten herauszukristallisieren, empfehlen Acuña und seine Kollegen (2012), die Rohdaten zunächst in Gruppen typischer Verhaltensweisen zusammenzufassen.
  • Schritt 4 – Ausprägungen der Variablen festlegen: Wenn die Liste der Variablen steht, wird jede Variable in eine Skala konvertiert. Dazu werden die beiden Pole definiert – wieder basierend auf den beobachteten Daten (Acuña et al., 2012). Falls notwendig, können natürlich auch Zwischenschritte eingefügt werden.
  • Schritt 5 – Probanden anordnen: Anschließend werden alle Personen auf den Skalen positioniert, die an der Datensammlung teilgenommen haben. Dabei kommt es mehr auf die relative Position der Personen zueinander als auf die absolute Position an (Cooper et al., 2012).
  • Schritt 6 – Muster identifizieren: Im letzten Schritt gilt es, Muster in der Verteilung auf den Variablen-Skalen zu identifizieren. Sind Personen, die eher auf Preise achten, auch bereit, längere Recherche nach dem günstigsten Produkt in Kauf zu nehmen? Um Antworten auf derartige Fragen zu erhalten, gilt es, nach Clustern Ausschau zu halten, wo sich Nutzer:innen über mehrere Variablen hinweg an ähnlichen Positionen wiederfinden (Cooper et al., 2012). Etwa sechs bis zwölf ähnliche Positionen auf den Variablenskala gelten als Faustformel, um ein signifikantes Cluster zu identifizieren (Acuña et al., 2012). Diese Muster bilden die Grundlage für die späteren Personas. Cluster sollten dabei nach Zusammenhängen definiert werden, nicht nach zufälligen Überschneidungen bei Variablen, die inhaltlich nicht miteinander zusammenhängen.
Grafik mit vier Skalen, die unterschiedliche Erkenntnisse zur Wissensvisualisierung darstellen. Darin sind sechs Nutzerinnen und Nutzer aus den Interviews angeordnet.
Beispiel aus Interviews zum Thema Wissensvisualisierung: Die Einstellungen von Nutzerinnen und Nutzern wurden auf Skalen angeordnet, aus denen sich Muster von typischen Clustern ableiten lassen. Diese Muster bilden die Grundlage für die späteren Personas.

Phase 3: Personas erstellen

Nach der eher analytischen Arbeit beim Auswerten und Analysieren von Variablen folgt der kreative Teil der Persona-Erstellung.

  • Schritt 7 – Grundlagendokument für Personas erstellen: Die identifizierten Cluster werden in Personas überführt. Grudin und Pruitt (2003) empfehlen dazu ein Grundlagendokument für jede Persona (Persona Foundation Document), das die zentralen Eigenschaften enthält. Darin werden Details aus der Datensammlung für jedes entdeckte Muster in die Persona-Beschreibungen synthetisiert – ein Fokus sollte dabei auf den Zielen der Personas in Bezug auf das digitale Produkt oder Service liegen, das gestaltet wird (Cooper et al., 2014).
  • Schritt 8 – Überprüfen: Bei der Persona-Erstellung kann es schnell passieren, dass sich Dopplungen einschleichen oder etwas Wichtiges vergessen wird. Daher folgt im Anschluss an die Persona-Erstellung ein Check. Cooper et al. (2014) empfehlen, dass sich jede Persona in mindestens einem der identifizierten Muster voneinander unterscheiden sollten. Acuña et al. (2012) empfehlen, die Personas nacheinander zu diskutieren und diese Diskussionen als Teil der Validierung festzuhalten.
  • Schritt 9 – Personas ausformulieren: Schließlich werden die Grundlagendokumente zu Persona-Beschreibungen ausformuliert und die Rolle definiert, die eine Persona einnehmen soll – zum Beispiel, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Persona handelt (Cooper et al., 2014; Acuña et al., 2012).
  • Schritt 10 – Personas validieren: Personas beruhen bereits auf empirischen Daten, aber in einigen Fällen ist eine erneute Validierung sinnvoll, da Personas auch fiktive Elemente enthalten. In Gesprächen mit Teilnehmenden aus den jeweiligen Zielgruppen lässt sich evaluieren, ob die Personas plausibel sind oder verändert werden sollten (Nielsen, 2019). Schließlich lässt sich erfassen, wie Menschen die Personas wahrnehmen, beispielsweise mit Hilfe der „Persona Perception Scale“ (Salminen et al., 2018).

Phase 4: Personas nutzen

Damit Personas nicht in der Schublade landen, können UX-Designer:innen nach der Erstellung einiges tun, um Personas in einem Projekt zu etablieren und ihre Nützlichkeit zu erhöhen.

  • Schritt 11 – Mit Personas arbeiten: In einem Kick-Off-Meeting werden die Personas vorgestellt und anschließend mit Hilfe verschiedener Materialien wie Poster, Flyer oder Handouts verfügbar gemacht (Grudin & Pruitt, 2003). Besonders wichtig für die Arbeit mit Personas ist es, dass Teams Erfahrungen mit ihrem Einsatz machen können – das hat sich als ein zentraler Faktor für die Akzeptanz der Persona-Methode herausgestellt (Salminen et al., 2020). UX-Expert:innen können die Einführung von Personas begleiten, indem sie dazu anregen, sie in Prozesse von Konzeption, Design und Entwicklung zu integrieren. Grudin und Pruitt (2003) schlagen beispielsweise vor, Feature-Wünsche nach Personas zu priorisieren (siehe Box). Personas können natürlich auch in Kombination mit anderen Verfahren genutzt werden, etwa um Szenarien zu erstellen (Acuña et al., 2012; Nielsen, 2019).
  • Schritt 12 – Personas aktuell halten: Personas können veralten oder sich im Laufe der Zeit als weniger hilfreich erweisen als erhofft. Lene Nielsen (2019) empfiehlt daher, Personas etwa alle zwei Jahre zu überprüfen und zu aktualisieren. Das kann bedeuten, einzelne Personas zu verändern, neue Personas zu erstellen oder irrelevant gewordene Personas zu entfernen. Gründe für solche Aktualisierungen können beispielsweise sein, dass sich Nutzungsgewohnheiten verändert haben, neue Technologien entstanden sind oder gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt werden sollten.

Wie viele Personas brauche ich?

Wer gerade mit der Arbeit mit Personas angefangen hat, fragt sich häufig wie viele davon für ein Projekt notwendig sind. Oft bin ich bei meinen Recherchen auf die Zahl 3-7 gestoßen (wobei mehr als drei primäre Personas schwierig werden), aber das hängt natürlich stark vom Projekt ab. Sinnvoller scheint mir eine schwammige Antwort: so wenige wie möglich, aber so viele wie nötig, um alle relevanten Bedürfnisse abzudecken.

Wie werden Personas dargestellt? Welche Templates gibt es?

Personas leben davon, dass sie so dargestellt werden, dass man sie schnell erfassen kann – beispielsweise als Poster, das man sich zur Inspiration ins Büro hängt. Die meisten UX-Designer:innen arbeiten daher mit einer attraktiven Vorlage, auf der alle relevanten Eigenschaften in einer visuellen Form und mit kurzen Textbausteinen dargestellt werden. Es gibt unterschiedlichste Empfehlungen, was alles in eine Persona hineingehört. Am häufigsten sind demographische Angaben, Persönlichkeit, Nutzung von Technologien, produktbezogene Ziele und Aufgaben sowie das tägliche Lebens- und Arbeitsumfeld. Aber auch andere Inhalte sind möglich, wenn sie sich für ein Projekt eignen, etwa die Beziehung zur Marke (Nielsen et al., 2015). Letztlich geht es also darum, Personas möglichst nützlich für das jeweilige Projekt zu machen, auf das sie sich beziehen.

Bei der Arbeit sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Es gibt zahllose Vorlagen für Personas. Hier sind einige meiner Favoriten:

Persona-Template von Christof Zürn
Ausschnitt aus dem Persona-Template von Christof Zürn

Lizenz: Persona Core Poster von Christof Zürn, CC BY SA

In den meisten Fällen sollten sie ein bisschen individuell angepasst werden: jedes Projekt benötigt etwas andere Informationen, um überzeugende Personas zu kreieren. Während in den einem Projekt Computer-Fähigkeiten sehr wichtig sind, spielen in einem anderen die persönlichen Ernährungsgewohnheiten eine größere Rolle.

Praktisch sind außerdem Portraits von Menschen, mit denen man Personas Leben einhauchen kann. Die Fotos sollten eine Persona möglichst realistisch darstellen und in Situationen darstellen, die zu ihr passen. Ungewöhnliche Perspektiven, gestellte Posen oder übertriebene Ausdrücke sind eher ungeeignet (Cooper et al., 2014). Fündig wird man beispielsweise bei Pixabay oder Pexels – wie immer bei Bildern gilt: auf die Lizenz achten! Grudin und Pruitt (2003) raten daher von Stock-Fotos ab, weil sie zu generisch seien – sie empfehlen eigene Fotoshootings. Eine nützliche Alternative sind Sammlung von Portraits, die von künstlicher Intelligenz erzeugt wurden, etwa Generated Photos oder This Person Does Not Exist. Auch über den Namen einer Persona sollte man sich Gedanken machen. Oft werden Namen gewählt, aus denen man Rückschlüsse auf die Rolle einer Persona ziehen kann. Andrew Schall liefert in einem Medium-Beitrag viele nützliche Tipps für die Namensgebung von Personas.

Eine interessante Variante hat ein Forscherteam rund um Tuck Wah Leong bei der CHI 2021 vorgestellt: die Experiential Persona. Darunter verstehen sie, anstelle von zweidimensionalen Postern und ähnlichen Verfahren auf physische Artifakte aus der Lebenswelt der Teilnehmenden zurückzugreifen, um es Designer:innen zu erlauben, sich in deren Leben hineinzuversetzen.

Fazit

Personas sind ein flexibles Verfahren, um Ergebnisse aus der Nutzer:innenforschung greifbar zu machen und in den gesamten Design- und Entwicklungsprozess einzubetten. Sie können wichtige Dokumente zur Kommunikation und Verständigung sein, die es allen Projektbeteiligten ermöglichen, die Nutzer:innen im Blick zu behalten. Das Verfahren wird außerdem stetig weiterentwickelt, um Kritikpunkte zu adressieren. Es lohnt sich also, Personas in einem User-Experience-Projekt zu berücksichtigen.