Journalismus in und trotz der Krise Journalismus und professionelle Medien in der Krise
„Journalismus in der Krise“ – das war das Motto beim diesjährigen Tag der Medienwissenschaft. Warum wagen Menschen trotz der Krise den Sprung in den Journalismus? Und was bedeuten die Erkenntnisse aus den Krisen in der Ukraine sowie in Syrien und dem Irak eigentlich für professionelle Medien?
Festvortrag von Ute Schaeffer: „Teilen, posten, herrschen? – Professionelle Medien zwischen digitalem Dshihad und hybridem Krieg“
Wichtiger Teil bei jedem Tag der Medienwissenschaft: der Festvortrag aus der Medienwelt. In diesem Jahr ist Ute Schaeffer, die stellvertretende Direktoren und Leiterin Medienentwicklung bei der Deutsche Welle Akademie in Köln, in die beschauliche Moselmetropole gereist. Ihr Festvortrag trug den spannenden Titel „Teilen, posten, herrschen? – Professionelle Medien zwischen digitalem Dshihad und hybridem Krieg“ – und spannte damit recht gut das große Spektrum ab, dass sie behandelt hat.
Wie soziale Medien als Waffe genutzt werden
Ausgangspunkt war die Frage, wie das Netz von Lobbyisten und Extremisten genutzt wird. Beispiele dafür waren die Krisen in Syrien und dem Irak sowie der Ukraine. In diesen Konflikten nehme Social Media eine neue Rolle ein. Zwei Drittel der jungen Russen informieren sich ihren Aussagen zufolge vorrangig über Soziale Medien im Netz, nicht über traditionelle Medien. Täglich schauten sie 150 Mal auf ihre Smartphones. Dies werde zur gezielten Beeinflussung eingesetzt:
- Man folge den Gesetzen des Mediums: Twitter werde mit Hashtags geflutet, um in die Trends zu gelangen. Auf ask.fm werden Fragen beantwortet. YouTube-Videos werden in verschiedenen Fassungen hergestellt – clean für den Westen, abschreckend für die Menschen vor Ort.
- Die Medienarbeit erfolge hochprofessionell durch eigene Medienagenturen.
- Die Nachfrage nach kritischen Inhalten in Russland (beispielsweise von der Deutschen Welle) gehe zurück – die Menschen fühlten sich durch die staatstreuen Medien ausreichend informiert.
- Medien werden auf diese Weise zur Waffen zur gezielten Rekrutierung und Desinformation.
Was bedeutet dies für professionelle Medien?
Die zentrale Frage, die Ute Schaeffer basierend auf diese Ausführungen stellte: Wenn in „20 Jahren niemand mehr traditionelle Medien braucht, um Nachrichten zu erhalten“ – wie sollten dann professionelle Medien reagieren? Nicht, indem sie auf reine Nachrichten setzen, womöglich noch Agentur-Meldungen nachsprechen. Ute Schaeffer spricht sich für Experimentierfreude und kompromissloses Qualitätsbewusstsein aus: „Wir sind nur eine Stimme von vielen. Im Wettbewerb dieser Stimmen können wir uns nur durch Qualität behaupten.“
Einige Thesen aus ihrem Plädoyer:
- Die mediale Außendarstellung sollte uns etwas wert sein – gerade hier sieht sie als Vertreterin der Deutschen Welle große Defizite. Während es Anfang der 90er lediglich drei Auslandsmedien gegeben habe, seien es nun zwei Dutzend. Der DW-Etat verharre auf dem Niveau von Mitte der 90er Jahre, während der Kreml beispielsweise viele Hundert Millionen Euro in sein Auslandsmedium investiere.
- Professionelle Medien müssen den digitalen Wandel gestalten. Der Schlüssel dazu ist Qualität und Mut, Formate und Erzählweisen neu zu erfinden.
- Guter Journalismus muss vor Ort sein, da wo die Krise stattfindet – am besten bereits vorher.
- Agenda Setting solle durch die Nutzer geschehen: Vertiefung und Einordnung von Themen statt bloße Nachrichten. Journalisten müssen ihre Nutzer kennen und ihre Fragen zum Leitfaden der Storys machen.
Ein interessanter Aspekt kam im Gespräch beim Abendessen auf: Neben den Forderungen nach digitaler Neu-Erfindung des Journalismus werde die Frage nach neuen digitalen Geschäftsfeldern viel zu selten gestellt. Vielleicht ein Ansatz für den Tag der Medienwissenschaft 2015? Wir bleiben dran.
Impulse aus 10 Jahren Medianetz Trier
Als Vorsitzender unseres Vereins Medianetz Trier durfte ich im Anschluss einige Worte über die Ziele des Alumni- und Studierenden-Vereins vortragen. Die Themen: Wie wir mit regelmäßigen Treffen das Netzwerken unter Medienwissenschaftlern fördern möchten, wie wir unser Wissen zurück in die Lehre tragen und Studierenden eine helfende Hand reichen – und ein Grußwort unseres Gründungsvorsitzenden gab es ebenfalls.
Podiumsdiskussion: Journalismus trotz Krise?
Journalismus steckt in der Krise – warum entscheiden sich Menschen dennoch für diesen Beruf? Bei der Podiumsdiskussion (moderiert von Michael Harnischmacher) nahmen drei junge Journalisten mit verschiedenen Ausbildungswegen teil:
- Nelly Theobald, die noch im Master studiert, aber bereits seit geraumer Zeit als Freie Journalisten arbeitet und ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung hat
- Bileam Bader vom WDR
- Nathalie Stüben, die an der Deutschen Journalistenschule ist und per Telefon zugeschaltet wurde
Alle betonten den Stellenwert des Volontariats, das noch immer der sicherste Weg und oft Voraussetzung für eine Festanstellung sei. Medienwissenschaftler können mit Wissen und Mut um Darstellungsformen und den Medienwandel punkten – dies sei „ein riesiges Pfund“ (Bileam Bader). Auf eine mögliche Gefahr wies Nelly Theobald hin: Nicht immer seien Medienfachleute gefragt, denn man benötige auch Journalisten mit betriebswirtschaftlichem, juristischem oder naturwissenschaftlichem Hintergrund – Experten in ihren Themen also.
Bileam Bader brachte den Gedanken ein, dass eben jene Festanstellung gar nicht das Ziel sein müsse: Die Tätigkeiten eines Redakteurs unterscheiden sich durchaus von denen eines freien Mitarbeiters, so dass sich nicht alle Menschen für eine Festanstellung entscheiden möchten. Aber: Das Business als freier Journalist sei nicht einfach, man sollte sich ein gutes Netzwerk aufbauen – Qualität alleine reiche nicht mehr aus. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Studierende bereits als Freie arbeiten – zu deutlich geringeren Gagen. Alle drei waren sich einig: Journalismus ist ein hochinteressantes Arbeitsfeld – abwechslungsreich, thematisch anregend, perfekt für neugierige Menschen. Aber: Alle betonten auch die Schwierigkeiten – man müsse bereit sein, sehr viel zu arbeiten (gerade auch zu unattraktiven Zeiten), bereits im Studium mit freier Arbeit einen Fuß in die Tür setzen, sich breit aufstellen und mit modernen Darstellungsformen punkten. Ein positives Fazit gab es trotz allem: Wer Journalist werden möchte, der finde auch einen Weg. Im Anschluss ehrten wir die aktuellen Absolventinnen und Absolventen.