Tag der Medienwissenschaft 2019 Freiheiten und Grenzen von Unterhaltung
Kurt Tucholsky antwortete 1919 auf die Frage „Was darf Satire?” mit „Alles“. Beim Tag der Medienwissenschaft beschäftigten wir uns 100 Jahre später noch einmal mit der Frage: Christian Karch referierte über Freiheiten und Grenzen von Unterhaltung. Außerdem verabschiedeten wir Professor Hans-Jürgen Bucher, der das Fach 1998 aufgebaut hat.
Christian Karch über Grenzen von Satire und Comedy
„Ich kenne die Schnelldurchwahl unseres Justiziariats auswendig. Wenn man Satire macht, dann braucht man die.“ Mit diesen Wort begann Christian Karch, Redakteur bei SWR und funk, seinen kurzweiligen Vortrag zum Thema „Was darf Unterhaltung? Alles?“.
Grenzwertiges Abwägen
Um es direkt zu beantworten: Patentlösungen hatte Christian Karch nicht dabei – wo die Grenzen von Unterhaltung liegen, sei eine individuelle Entscheidung, die Redakteure wie er jeden Tag von Neuem treffen. Oft gebe es dabei grenzwertige Abwägungen. Ein Anhaltspunkt sei, ob eine Person in die Öffentlichkeit getreten sei – und damit ein öffentliches Interesse bestehe. Christian Karch verdeutlichte dies am Beispiel des Moderators Stefan Raab. So sei der Originalton von Regina Zindler in Stefan Raabs Song „Maschen-Draht-Zahn“ (1999) legitim – die Betroffene hat ihren Nachbarschaftsstreit schließlich selbst ins Fernsehen getragen. Im Fall von Lisa Loch sei hingegen eine Grenze überschritten worden, als Raab sich nur auf Grund ihres Namens über die Person lustig machte.
Neben Comedy war natürlich auch Satire ein großes Thema des Vortrags. Passenderweise hatte Christian Karch eine ganze Reihe von satirischen Beispielen dabei, sei es in Form von kleinen Bildchen für soziale Netzwerke („Picture Posts“ mit hoher Reichweite) oder Videos. Aber natürlich sollten diese nicht nur unterhalten, sondern auch einen praktischen Einblick in die tägliche Arbeit geben. Wie sich Satire rechtfertigen muss, illustriert beispielsweise die folgende Stellungnahme zum satirischen Video „Rettet die Arier“, dem manche Zuschriften Diskriminierung weißer Menschen vorwarfen:
Der Video-Clip „Rettet die Arier“ vom Bohemian Browser Ballett ist eine satirische Auseinandersetzung mit den Themen Ausländerfeindlichkeit, Zuwanderung und Rechtsextremismus. Er ist die satirische Antwort auf die in manchen politischen Strömungen kursierende Angst, eines Tages als Europäer vor dem Aussterben bedroht zu sein. Mit dem in der Satire üblichen Stilmittel der Übertreibung und der Metapher eines Tierschutzreservates verbildlicht die Redaktion diese Befürchtung im Sinne einer Karikatur.
Stellungnahme zum Video „Rettet die Arier“
Warum lachen wir über Comedy und Satire?
Wer sich während des Vortrags im Saal umschaute, blickte immer wieder in lachende Gesichter – kein Wunder, schließlich ist Unterhaltung genau dafür da. Warum aber lachen wir? Was ist eigentlich Humor, und woran erkennt man seine verschiedenen Spielarten? Christian Karch zählte drei Theorie-Ansätze auf, die dabei helfen, Humor zu verstehen:
- Aggressions- und Überlegenheitstheorien, die besonders für Situationen kennzeichnend sind, in denen wir uns anderen überlegen fühlen
- Inkongruenztheorien für Situationen, in denen durch Komik ambivalente Gefühle erzeugt werden, z.B. indem etwas aus einem neuen Blickwinkel gezeigt wird
- Entspannungs- und Abfuhrtheorien, bei denen Humor als ein Ventil gesehen wird, Spannungen abzubauen
Bei politischer Satire allerdings gibt noch eine weitere Dimension, die Redakteure im Blick behalten müssen, nämlich die der Aufmerksamkeit. Denn natürlich schafft eine satirische Sendung auch Aufmerksamkeit für Themen und Parteien – selbst dann, wenn man sie kritisiert. Das könne natürlich zu einem Problem werden, hob Christian Karch hervor – Redakteure dürfen also auch hier ihre Verantwortung nicht aus den Augen verlieren.
funk: Online-Angebot für junge Erwachsene
Ebenfalls interessant waren die Einblicke in die Arbeit bei funk. Das Angebot spreche insbesondere die junge Zielgruppe von 14-29 Jahren an, die man über andere Kanäle nicht mehr erreiche. Daher streue man die Inhalte auch besonders über soziale Medien – und zwar unterschieden nach Primär- und Sekundärplattformen. 10-Minuten-Videos funktionieren gut auf YouTube, nicht jedoch auf Facebook – dort gehe es hingegen um virale, kurze Clips, die kurzfristig hohe Reichweite erzielen können.
Das Satiremagazin „Bohemian Browser Ballett“, für das Christian Karch ebenfalls tätig ist, ist daher auch auf all diesen Kanälen präsent – sogar auf gänzlich neuen, wie beispielsweise dem Browser-Game „Bundesfighter II“. Und auch dort bewegt man sich im Grenzbereich, wie etwa bei der Darstellung eines Hakenkreuzes in einem Special-Move – Gamestar hat die Hintergründe.
Verabschiedung von Hans-Jürgen Bucher
Der Tag der Medienwissenschaft bildete natürlich auch das richtige Umfeld, um Professor Hans-Jürgen Bucher nach 30 Jahren wissenschaftlicher Tätigkeit zu verabschieden. Hans-Jürgen Bucher nutzte die Gelegenheit nicht nur dazu, auf 22 Jahre an der Universität Trier zurückzublicken und die Anwesenden mit Neuigkeiten aus dem Fach zu versorgen, sondern insbesondere auch, um Danke zu sagen: seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Hilfskräften und Lehrbeauftragten, und selbstverständlich auch den Studierenden für die produktive Zusammenarbeit. Die Studierenden ehrten ihn dann mit einem Printmagazin voller Erinnerungen – inklusive Eyetracking auf dem Cover.
Begrüßen durften wir die neue Professorin des Fachs: Marion Müller, die im Februar 2019 von der Jacobs University Bremen nach Trier gewechselt ist. Sie wird das Fach insbesondere im Bereich der visuellen Kommunikation ausbauen. Beim Tag der Medienwissenschaft stellte sie sich und ihre Forschung kurz vor – mehr dazu wird es sicherlich noch zu hören geben.
Ehrung der Absolventinnen und Absolventen
Schöne Tradition bei jedem Tag der Medienwissenschaft ist die Ehrung der Alumni des vergangenen Jahres – ob Bachelor, Master oder Magister, mitsamt einer kurzen Würdigung des Themas der Abschlussarbeit.