Filme im Fokus Doku-Horror in der Dunkelheit mit „The Tunnel“
Nach einer längeren Pause in meiner „Filme im Fokus“-Reihe möchte ich euch nun eine neue Entdeckung näherbringen: „The Tunnel“ von Carlo Ledesma (Regisseur) sowie Enzo Tedeschi und Julian Harvey (Buch), ein australischer Horror-Streifen, den es als offiziellen Torrent zum Download gibt.
Kleine Torrentologie
…Offizieller Torrent? Moment mal, steht da wirklich offizieller Torrent? Jep, steht da. Die Macher des Films haben neben dem DVD-Release eine frei kopierbare „Peer2Peer“-Version unter einer freien Lizenz veröffentlicht und seeden ihn als Torrent. Wer mit Torrents nichts anfangen kann: BitTorrent ist ein Übertragungsprotokoll, dass die Last auf mehrere Schultern verteilt, statt nur einen Download-Server anzusprechen. Heißt in der Praxis, dass jeder, der den Film komplett oder teilweise heruntergeladen hat, ihn zugleich an andere Download-Willige verteilt. Das ist ungemein praktisch bei großen Dateien, die viele Menschen gleichzeitig laden wollen, und verspricht schnellere Ladezeiten und weniger Serverlast. Um einen Torrent zu laden, genügt es eines der zahlreichen Programme herunterzuladen. Auf dem Mac empfehle ich Transmission.
Damit ausgerüstet klickt man sich auf der Download-Page von „The Tunnel“ auf den Download-Link und öffnet das entsprechende File mit seinem schicken neuen Torrent-Programm. Jetzt heißt es nur noch warten, dann darf der Grusel losgehen.Wer den Film unterstützen möchte, hat die Möglichkeit zu spenden oder im Rahmen des „135K Project“ für einen Dollar seinen eigenen Frame zu kaufen – meinen seht ihr oben.
Mit der Kamera in der Dunkelheit
„The Tunnel“ spielt in Sydney, oder genauer gesagt, in der Kanalisation unter Sydney, in die sich ein Kamerateam begibt, um einer Story über mysteriöse Vorgänge nachzugehen. Horrorfreunde assoziieren bei dem Begriff „Kamerateam“ mit Sicherheit direkt die großen pseudodokumentarischen Genreklassiker wie „(link: http://www.imdb.com/title/tt0185937/ text: Blair Witch Project“ oder „Rec“, und auch „The Tunnel“ reiht sich ein in die Gruppe der „Wir tun mal so, als ob das alles wirklich geschehen wäre“-Horrorstreifen. Dieser Ansatz wird direkt am Anfang durch einen realistisch wirkenden Notruf untermauert.
Und doch ist das Grundkonzept von „The Tunnel“ ein wenig anders als „Blair Witch Project“ oder „Rec“. Denn während jene dem Zuschauer glauben machen möchten, man hätte irgendwo eine Filmkamera gefunden, setzt „The Tunnel“ auf die Ästhetik eines modernen Dokumentarfilms und schneidet Interviewszenen neben Kameraaufzeichnungen. So macht der Film sich die Allgegenwart von Überwachungskameras und Audioaufzeichnungen in modernen Städten zunutze und bedient sich aus deren Material. Daraus entsteht ein gewitztes Spiel aus Ton und Stille, wenn auf Überwachungsbilder umgeschaltet wird, die wie ein Ozean der Ruhe im Film wirken. Es ist ein Entlanghangeln an verfügbaren Aufnahmen, die das latente Gefühl des Überwacht-Werdens zurücklassen – und zugleich die Macht dieser Bilder anzweifeln, denn ändern oder auch nur erklären können sie nicht. Denn „The Tunnel“ ist eine Hommage an die Arbeit des Dokumentaristen, der sich mit einer Vielzahl von Bildquellen der Wahrheit nähert – und dem dann doch die entscheidenden Momente fehlen.
SPOILER ALERT: Die folgenden Ausführungen nehmen einen Teil der Story vorweg – bitte nur weiterlesen, wenn ihr den Film bereits gesehen habt oder gänzlich uninteressiert an jeglicher Form von Spannung seid.
Die Ohnmacht des Augentiers
Da passt es natürlich gut, dass in einer der spannendsten Szenen des Films das Ungetüm selbst zum Herr der Bilder wird, die Kamera aufhebt und auf die von ihm gejagten Menschen richtet, während es selbst unerkannt bleibt. In der Allgegenwärtigkeit der Bilder ist es der Ton, dem eine bedeutende Rolle in der Filmästhetik zukommt – nicht nur in der intensiven Aufnahme des Notrufs direkt zu Beginn. Das mysteriöse Monster wird über Ton eingeführt, nicht von ungefähr nimmt es der Toningenieur als Erster wahr – ein retardierendes Moment, das noch einmal auf eine Rettung hoffen lässt, hätte er nur auf sein Gehör vertraut. Das wird umgehend bestraft – während er in die Dunkelheit läuft, um gute Tonaufnahmen zu machen, verliert sich jede Spur von ihm.
Die große Rettung der Protagonisten ist folglich auch das Licht, denn ins Licht folgt ihnen das geheimnisvolle Wesen nicht. Wie treffend, dass die Regierung keine Anstrengungen unternimmt, das sprichwörtliche Licht ins Dunkel unter der Stadt zu bringen – so bleiben die Lichtwelt und die Schattenwelt getrennte Bereiche, die man nicht überschreiten sollte – ganz gleich, auf welcher Seite man sich normalerweise aufhält. „The Tunnel“ spielt auf diese Weise mit der klassischen Angst des Menschen vor der Dunkelheit und vor dem, was er nicht sehen kann. Durch den Ansatz, Aufnahmen modernster Sicherheitsmedien zu verwenden, spricht der Film diesen Maßnahmen ihre vermeintliche Sicherheit ab – in den entscheidenden Szenen, in denen man einen Blick auf das Ungeheuer erhaschen könnte, liefern sie keine klaren Bilder. „The Tunnel“ setzt nicht auf visuelle Blutorgien – das Stilmittel kommt erst spät und auch dann spärlich zum Einsatz, herausgerissene Körperteile gibt es nur an einer Stelle – dann jedoch mit den Augen passend zur Grundthematik. Auch die vermeintlich aufklärerischen Medien kommen nicht gut weg: Natashas Anmoderationen erklären zwar anschaulich die Hintergründe des Kanalsystems, doch die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet.
Ein wenig leidet der Film jedoch auch unter seinem Ansatz, denn schon früh im Film wird durch die eingespielten Interview-Schnipsel klar, wer überlebt und wer nicht. Das ändert aber nichts daran, dass „The Tunnel“ ein durchaus sehenswerter Streifen geworden ist, der mit einem innovativen Marketing-Ansatz aufwartet.