Filme im Fokus: M – Eine Stadt sucht einen Mörder (Fritz Lang, 1931)
Wer mich kennt, weiß bestimmt, dass ich Filme liebe. Hier ist der Deal: Ich stelle euch hin und wieder, in loser Folge, einen Film vor, den ich für sehenswert halte. Und ihr guckt ihn dann. Oder auch nicht und lasst mich wissen, warum nicht. Klingt gut? Okay, also ab die Lucy. Den Anfang macht der Film-Noir-Klassiker „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, 1931 von Fritz Lang gedreht.
Eine Story von einem Mörder und viel Hysterie
„M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ ist die Geschichte eines Triebtäters im Berlin der 30er Jahre. Als die Polizei ihn trotz ihrer Bemühungen nicht fassen kann, steigert sich die Bevölkerung immer stärker in angstgetriebene Hysterie. Schließlich schaltet sich sogar die Berliner Unterwelt in die Suche ein, weil der Mörder sie bei ihren Geschäften stört. Bettler werden als Spitzel angeheuert, um die Straßen überwachen zu können. Ausgerechnet einem Blinden gelingt es, ihn zu entdecken und mit einem weißen "M" auf seinem Rücken zu markieren. Spätestens jetzt kippt die Story ins Ambivalente. Man empfindet keine Sympathie mit dem Mörder, wie er vor seinen Verfolgern davon läuft und schließlich aufgeschnappt wird. Aber das Unheil in seiner Umgebung, die Hysterie und Angst, die vor einem bizarren Lynch-Gericht endet, das sein Urteil längst getroffen hat, lässt ebenso wenig ein Gefühl der Gerechtigkeit zurück. Es folgt das berühmte Plädoyer des Täters, in dem er seine unentrinnbaren Triebe thematisiert.
„M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ ist einer der ersten gelungenen Tonfilme der Geschichte, in der Ton nicht nur zur Steigerung des Realitätseindrucks, sondern bedeutungstragend eingesetzt wird – etwa, wenn das gespenstische Pfeifen des Mörders neue Bedrohungen ankündigt, oder wenn die Suche von Polizisten und Verbrechern geschickt ineinander gekoppelt wird. Visuell und thematisch greift er Tendenzen auf, die von den meisten erst einige Jahre später bemerkt werden sollten.
Fritz Lang zum Film Noir und gegen die Nazis
„Film Noir“ ist einer der Fälle, in denen der Begriff auf fast schon poetische Weise sagt, worum es in dem Genre geht (sofern man es Genre nennen möchte, manche sprechen eher von Stil). Düster ist die Welt des Film Noir, es geht um Verbrechen (meistens Morde) in städtischen Kulissen. Harte Kontraste herrschen vor, und die Stimmung ist bedrückend – ästhetisch wie inhaltlich. „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ kann in mehrfacher Hinsicht als eine frühe Form des Film Noir betrachtet werden, der erst später in den 40er und 50er Jahren in den Vereinigten Staaten zur Blüte kam. Lang, dank Metropolis und weiteren Großwerken alles andere als ein Unbekannter des deutschen Kinos, war in den 20er Jahren an der Entwicklung des filmischen Expressionismus beteiligt, der mit grotesken Kulissen, Verzerrungen und fast schon übertriebenen Schauspielleistungen tiefere Bedeutungsschichten für den Film erschließen wollte. Er übernimmt diese Stilmittel für seinen Krimi, dreht die Beleuchtung noch einmal herunter und vermengt ihn mit Beobachtungen aus dem Alltag. Grausigen Beobachtungen.
Beobachtungen wie die Art und Weise, mit der sich die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen unter einem Ziel zusammenschließen, mit der sogar Bettler der totalen Gleichschaltung folgen und den Mörder suchen. Beobachtungen wie die vor dem Lynch-Tribunal, wenn sich der Verteidiger anhören muss, sein Mandant sei kein Mensch und gehöre getötet, und auf das Gesetz würde man sowieso pfeifen. Beobachtungen, die im Deutschland der 1930er Jahre in ähnlicher Weise im Alltag gemacht werden konnten – selbst dann, wenn Hitlers "offizielle" Machtübernahme noch zwei Jahre dauern sollte. Und auch wenn Lang sich erst später eindeutig gegen die Nazis stellt, spricht seine Beunruhigung über den Zustand der deutschen Demokratie bereits aus „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Doch noch war es nicht zu spät – noch kann die Polizei rechtzeitig auftauchen, das Tribunal beenden und den Mörder „im Namen des Gesetzes“ vor Gericht stellen. Aber wenn die Mutter, die ihr Kind durch den Mörder verloren hat, im Angesicht eines offiziellen deutschen Gerichts traurig anmerkt, dass nichts ihre Tochter zurückbringen könne, und dass man eben besser Acht geben müsse auf die Kinder – dann ist das nicht nur Langs Warnung vor dem Mörder, sondern auch vor dem Wahnsinn, den er gerade angedeutet hat. Ein Wahnsinn, der die eigenen Kinder noch stärker gefährden sollte, als es ein einzelner Mörder jemals könnte.
Nicht, dass man auf ihn gehört hätte.