Filme im Fokus Renaissance (Christian Volckman, 2006)
Es ist mal wieder an der Zeit, euch einen Film vorzustellen, der mir ans Herz gewachsen ist: „Renaissance“, ein animierter Science-Fiction-Streifen des Franzosen Christian Volckman aus dem Jahr 2006, mit einer ganz besonderen visuellen Sprache.
Paris, 2054. Ilona Tasuiev, Wissenschaftlerin in Diensten des mächtigen Avalon-Konzerns, wurde entführt. Das geht natürlich gar nicht, und so wird Polizeiinspektor Barthélémy Karas mit der Suche beauftragt. Der nimmt Kontakt zu Ilonas hübscher Schwester Bislane auf, horcht bei den Avalon-Spitzen nach und trifft auf einen ihrer ehemaligen Wissenschaftler, Jonas Muller. Allmählich entdeckt er bei seinen Ermittlungen eine Verschwörung, der Ilona zum Opfer gefallen ist – ausgelöst durch ihre Forschungen nach einem Verfahren, um den Menschen unsterblich zu machen.
Die Story ist recht konventionell, nimmt keine wirklich überraschenden Wendungen und besticht auch nicht durch besonders ausgefallene philosophischen Gedanken zum Thema Unsterblichkeit. Doch ist es die Ästhetik des Films, die ihn sehenswert macht.
Motion Capture als Grundlage einer düsteren Schwarz-Weiß-Ästhetik
Lizenz: Motion Capture Facial, Bild links von Mounirzok, CC BY SA
Lizenz: Activemarker 2, Bild rechts von Hypocrite, Public Domain
Technisch realisiert wurde „Renaissance“ mittels Motion Capture (zu deutsch „Bewegungserfassung“), bei dem die Bewegungen von Schauspielern als Ausgangsbasis für ein späteres Modell am Computer verwendet werden. Dabei werden Sensoren auf den Körper eines Schauspielers geklebt, über die seine Bewegungen erfasst werden können. Während die Technik jedoch meist eingesetzt wird, um einen möglichst realistischen Eindruck zu schaffen (wie etwa im Fall von Hironobu Sakaguchis „Final Fantasy“ [2001], James Camerons „Avatar“ [2009] oder auch den diversen einzelnen animierten Figuren wie Jar Jar Bings in „Star Wars“, Davy Jones in „Pirates of the Caribbean“ oder Gollum in „Der Herr der Ringe“), geht Christian Volckman einen anderen Weg: Ästhetik statt Realismus.
Der Film ist nahezu ausschließlich in schwarz und weiß gehalten, nur selten kommen Grautöne hinzu, um Glasflächen zu visualisieren. Ästhetisch erinnert mich das an Frank Millers „Sin City“ (2005), doch geht Volckman einige Schritte weiter. Zunächst beeindruckt, wie er es schafft, aus nur zwei Farbtönen unterschiedliche Texturen von Stoffen herauszuarbeiten. Wenn sich aus den Schatten die Figuren herausschälen und oft genug mit ihnen verschwimmen, das hat etwas vom Film Noir, der konsequent zu Ende gedacht wird. Nur die kindlichen Zeichnungen sind in bunten Farben gehalten – und dieses Statement überlagert die konventionelle Story, wird zur subtilen Philosophie. Größter Moment des Films bleibt die Stelle, als Inspektor Karas den geheimnisvollen Wissenschaftler Muller durch die Scheibe bei einer Operation beobachtet. Wie sich aus den schattigen Konturen Karas' und dem hell erleuchteten Gesicht Mullers in der Spiegelung der Scheibe ein neues Gesicht formt – das ist große Kinokunst und deutet zudem viel vorweg, das der Zuschauer noch gar nicht wissen kann.
Fazit: Sehbefehl für alle, die an visueller Ästhetik interessiert sind
Zugegeben: Die Story ist nun wirklich nichts Neues. Aber wer sich für Experimente in filmischer Ästhetik begeistern kann, dem möchte ich „Renaissance“ wirklich ans Herz legen: Wie Volckman hier mit den Möglichkeiten spielt, die ihm das gewählte Verfahren bietet, das ist absolut sehenswert. Wie so oft liegt der künstlerische Reiz seines Werks gerade in der Reduzierung auf zwei, selten drei Farbtöne. Das ist nicht nur als stilistische Übung spannend, sondern zeigt in den guten Momenten eindrucksvoll, wie sich Stilistik und Inhalt verketten können. Wer Lust bekommen hat: Im Moment ist der Film günstig bei Amazon zu bekommen, und nein, das ist kein Affiliate-Link.
Bildnachweis: Szenenbilder und DVD-Cover mit freundlicher Genehmigung vom deutschen Vertrieb Ascot Elite (explizit von der CC-Lizenz meines Texts ausgenommen)