Von verschwindenden Menschen: Matthew Pillsbury
Matthew Pillsbury ist ein Fotograf aus den Vereinigten Staaten (geboren am 25. November 1973), auf den ich im Rahmen einer Ausstellung in Lyon aufmerksam wurde. Pillsbury hatte zusammen mit Julia Fullerton-Batten den „Prix de la Fondation pour la Photographie HSBC“ 2007 gewonnen.
Pillsbury hat mit „Time Frame“ 2007 eine Sammlung eigener Arbeiten veröffentlicht. Das zu Grunde liegende Thema: Langzeitbelichtungen in Schwarz-Weiß bei Nacht, erhellt nur vom schalen Licht eines Monitors oder Fernsehers. Doch immer sind Menschen zu sehen, oft aber auch nur zu erahnen. Im fahlen Licht sind keine Gesichter zu erkennen, und die Belichtungen von im Schnitt einer Stunde lassen ihre Bewegungen zu schemenhaften Schlieren werden.
Loïc Fel hat in seiner (französischen!) Besprechung von Pillsburys Monographie schon mit einigen oberflächlichen Deutungen aufgeräumt, die ich ebenso anzweifeln möchte: die gängige Überlegung, seine Bilder sprächen von der Fotografie und ihrer Unmöglichkeit, die Vitalität der Bewegung einzufangen, scheint mir doch etwas banal. Erstens ist es durchaus möglich, Bewegungen in der Fotografie zu zeigen, ohne dass sie zu verschwommenen Schemen werden; und zweitens zeigen viele Aufnahmen von Pillsbury Aktivitäten, die eher selten für ihre Vitalität gerühmt werden. Stilles Arbeiten am Computer ist ein häufiges Thema (und steht wegen seiner Bewegungslosigkeit immer wieder in der Kritik von Physiologen).
Fels alternative Deutung reiht sich ein in die lange Folge von Todesmetaphern. Während die Gegenstände deutlich hervortreten, werde alles Leben zu transparenten, vorbeihuschenden Erscheinungen. Besonders seine Aufnahmen mit Fossilien sprächen für diese These.
Obwohl Fels Deutungen hochinteressant sind, fehlt mir der Aspekt der leuchtenden Bildschirme. Warum sollte Pillsbury künstliche Lichtquellen als verbindendes Element einer gesamten Serie („Screen Lives“) verwenden, wenn es ihm nur darum ging, durch fahles Licht den Tod darzustellen? Die Bildschirme sind die hellsten Punkte seiner Aufnahmen und ziehen die Blicke unmittelbar an, selbst in einer Küche voll mit Klimbim. Sie scheinen die eigentlichen Protagonisten der Aufnahmen zu sein: die Menschen verschwimmen zu transparenten Schatten, während die Bildschirme fast überbelichtet aus der Dunkelheit strahlen. Sie, die Bildschirme, sind das eigentlich Wichtige, sie sind omnipräsent. Selbst sich liebende Menschen treten hinter sie zurück. Oder werden ausgerechnet durch die Betonung der Bildschirme die Menschen hervorgehoben, weil man sieht, dass sie da sind und trotzdem irgendwie... fehlen?