Human-centered thinking in training management Menschen für die Digitalisierung vorbereiten
In einer Welt von fortgeschrittenen digitalen Technologien werden digitale Skills immer wichtiger. Aber wenn wir sinnvolle Trainingsprogramme für digitale Skills schaffen möchten, benötigen wir einen zutiefst menschzentrierten Ansatz und müssen uns auf positive Erlebnisse konzentrieren.
Digitale Skills: Wichtig und im Trend, aber Vorsicht vor den Risiken beim Training-Management
Die Digitalisierung ist überall, und daher ist es wenig überraschend, dass wir immer mehr digitale Skills benötigen. Und wir brauchen gutes Training-Management, um die benötigten Skills früh genug zu identifizieren. Aber im täglichen Austausch über Training im Bereich digitaler Skills stoße ich immer wieder auf drei Risiken, die wir bedenken sollten: sich nur auf Technologie zu fokussieren, Trainingsbedürfnisse auf Basis von Stellvertreter:innen oder Platzhalter-Daten zu identifizieren, und sich auf Annahmen zu verlassen. Diese Risiken möchte ich nun der Reihe nach erläutern.
Risiko 1: Fokus auf die Technologie
Das erste Risiko scheint zunächst widersprüchlich. Sehr oft beginnen wir mit der Trainingsplanung, indem wir eine Technologie im Kopf haben. Das klingt oft etwa so: „Wir brauchen einen Kurs über KI“, „Wir haben noch nichts über Angular“ oder „Ich glaube, wir sollten beim Theme 2-Faktor-Authentifizierung tiefer einsteigen“.

Nachweis: Makrofotografie einer schwarzen Leiterplatine von Alexandre Debiève, Unsplash
Ich kann das gut verstehen: Technologie hat viel verändert und wird noch mehr verändern. Außerdem ist sie einfach faszinierend. Und oft genug ist es sogar unsere Zielgruppe, die nach einem Kurs zu einer bestimmten Technologie fragt. Aber Technologie an sich hat keinen Wert, sie ist kein Selbstzweck. Sie dient einem Zweck oder einem tieferen Sinn, zum Beispiel unser Leben zu vereinfachen oder es uns zu ermöglichen etwas zu tun, das wir ohne Technologie nicht tun könnten. Wenn wir also Menschen dazu befähigen möchten, in der Digitalisierung zu brillieren, müssen wir ihnen beibringen, diesen Sinn zu identifizieren und dann die passende Technologie auszuwählen und zu gestalten. Training ist in dieser Hinsicht genauso.
Risiko 2: Stellvertreter:innen und Platzhalter-Daten nutzen, anstatt die Menschen direkt einzubeziehen
Sehr oft nutzen wir Stellvertreter:innen oder Platzhalter, um Trainingsbedürfnisse für digitale Skills zu identifizieren. Beispielsweise schauen wir auf Suchbegriffe, die in Suchfelder eingetragen werden, und halten sie „für das, was Menschen interessiert“. Oder wir betrachten Stellenanzeigen und ziehen daraus Listen von Skills und Kompetenzen, weil wir annehmen, „das ist was Menschen brauchen“. Nun, natürlich ist sind all das wertvolle Datenquellen, und viele von ihnen können wir auch automatisch erfassen und mit Hilfe von KI auswerten. Aber dennoch sind das nur indirekte Indizien:
- Menschen tragen nicht alles in eine Suchmaschine ein, was sie benötigen – vor allem nicht dann, wenn es ihnen selbst nicht bewusst ist.
- Und nicht alle benötigten digitalen Skills finden sich in Stellenangeboten, sondern nur solche, die von einem Unternehmen dort hinein gesetzt wurden. Aber Unternehmen stellen nicht immer neu ein, um die Digitalisierung voranzutreiben: Sie können auch vorhandene Angestellte weiterbilden, die Organisation umstrukturieren, Berater:innen einschalten oder komplett auf externe Anbieter:innen zurückgreifen.
- Ganze Industrien arbeiten mit Netzwerken von Freiberufler:innen, die an Projekten zusammenarbeiten, anstatt Neueinstellungen vorzunehmen.
- Und digitale Skills sind auch relevant für persönliche Projekte, wie es auch diese Website ist. Das macht diese Skills nicht weniger wertvoll, denn solche persönlichen Projekte beeinflussen natürlich auch die eigene Arbeit, und manchmal wachsen sie zu neuen Geschäftsmodellen.
Wir sollten uns daher nicht nur auf Stellvertreter:innen und Platzhalter-Daten verlassen. Es ist nicht möglich, ein Trainingsprogramm zu erstellen (oder sogar Menschen zu trainieren) ohne mit den Menschen zu sprechen oder diese Menschen im realen Leben zu beobachten. Und ja, das kann natürlich „mehr Arbeit“ sein, aber wir dürfen diese Qualität nicht opfern, nur um ein bisschen schneller zu sein.
Risiko 3: Sich auf Annahmen verlassen
Noch gefährlicher als Stellvertreter:innen und Platzhalter-Daten ist es, überhaupt keine Daten zu haben und stattdessen anzunehmen, es sei „logisch“, was Menschen brauchen. Oder sogar zu sagen: „wir wissen schon was Menschen brauchen, wir sind seit langer Zeit in diesem Business“. Damit möchte ich nicht sagen, dass es im Training-Management keinen Raum für Intuition gibt – im Gegenteil, Intuition kann ein hervorragender Ausgangspunkt für Hypothesen sein, die sich während der Trainingserstellung validieren lassen. Aber wenn wir uns nur auf unsere Annahmen verlassen laufen wir Gefahr, dass unsere Vorurteile oder (noch schlimmer) unsere eigene Arroganz sich uns in den Weg stellen. Und damit setzen wir die Erfolgschancen unserer Kurse aufs Spiel oder riskieren sogar die gesamte Mission unserer Organisation. Das bedeutet, dass fundierter User Research über die Bedürfnisse von Lernenden kein „Nice-to-Have“ oder „etwas für später“ ist, sondern ein ganz entscheidender Faktor im Risikomanagement. Ein UX-Manager hat das in einer Session auf dem UX-Festival 2024 schön formuliert: „Wenn ich keinen User Research habe, kann ich auch gleich eine Münze werfen.“
Menschzentrierung im Training-Management
Wie vermeiden wir diese Risiken? In diesem Artikel möchte ich vorstellen, wie menschzentriertes Denken uns dabei helfen kann. Aber was bedeutet „menschzentriertes Denken“ genau?
Es gibt verschiedene menschzentrierte Designansätze, aber sie alle stimmen darin überein, dass der Mensch im Zentrum steht. Das Ziel ist etwas zu schaffen, das eine hohe Chance hat, positive Erlebnisse zu schaffen und tiefe menschliche Bedürfnisse zu erfüllen. Dieser Ansatz kann sich auf Kund:innen, Nutzende, Angestellte und andere Gruppen beziehen. Deshalb könnten wir auch von Customer Experience, User Experience oder Employee Experience als Ergebnis der menschzentrierten Prozesse sprechen. Aber der Begriff „menschzentriert“ bedeutet nicht, dass wir die Gesellschaft, andere Lebewesen oder die Umwelt ignorieren. Am Ende sind Menschen miteinander und mit unserer Welt verbunden, so dass in unser aller Interesse ist, ein Gleichgewicht herzustellen. Dennoch gibt es Expert:innen, die argumentieren, dass wir über „Menschzentrierung“ hinausgehen müssen, zum Beispiel im Society-centered Design oder Humanity-centered Design.
Für diesen Artikel ist es nicht allzu wichtig, tiefer in die unterschiedlichen Ansätze menschzentrierter Gestaltung einzutauchen. Stattdessen gibt es einige Prinzipien, die aus meiner Sicht für menschzentriertes Training-Management zentral sind:
- Menschen während des gesamten Prozesses einbeziehen
- Ideen in ständigen Iterationen validieren
- Datenbasierte Entscheidungen treffen
- Menschen mit Respekt und Würde behandeln
- Bedeutende positive Lernerlebnisse gestalten
Diese Prinzipien möchte ich nun der Reihe nach anschauen.
Prinzip 1: Menschen während des gesamten Prozesses einbeziehen
Die Zielgruppe ist während des gesamten Prozesses eingebunden: „Zielgruppe“ bezieht sich hier auf alle, die von unseren Erzeugnissen beeinflusst werden, ob sie nun direkte Nutzende sind oder nicht. Das ist besonders wichtig am Anfang, wo wir verstehen müssen, welche menschlichen Bedürfnisse in Bezug auf das Produkt oder den Service bestehen, sowie am Ende, wo wir überprüfen, ob unsere Lösung für die Menschen funktioniert. Das ist entscheidend: Wir sind nicht menschzentriert, wenn wir einfach etwas auf Basis unserer Annahmen erstellen („Ich weiß, was unsere Kund:innen brauchen“) oder eine Lösung veröffentlichen, ohne irgendetwas darüber zu wissen, ob sie für die Zielgruppe funktioniert („Lass uns live gehen und auf das Beste hoffen“). Es gibt auch Methoden, Menschen während der Gestaltung selbst einzubeziehen, zum Beispiel im Co-Design.

Prinzip 2: Ideen in ständigen Iterationen validieren
Obwohl ein fundiertes Verständnis der Zielgruppe und ständige Einbeziehung der betroffenen Menschen wichtig sind, gehen menschzentrierte Ansätze nicht wie Wasserfall-Projekte mit umfangreichen Schritten vor, die nacheinander abgearbeitet werden. Denn die nachgefragten Trainingsthemen verändern sich schnell und hängen stark vom jeweiligen Kontext ab. Deshalb sind menschzentrierte Ansätze schnell und iterativ. Sie basieren auf konstantem Feedback und neuen Einsichten über das Publikum.

Prinzip 3: Datenbasierte Entscheidungen treffen
Menschzentriert zu sein braucht Daten über die Zielgruppe. Daten helfen uns dabei, informierte Entscheidungen darüber zu treffen, was geschaffen werden soll, fundierte Anforderungen zu spezifizieren und zu untersuchen, ob unsere Lösung „gut genug“ ist, um live zu gehen. Menschzentriertes Design ähnelt daher der Forschung stark: Wir stellen ständig Hypothesen auf und sammeln Daten, um sie zu verifizieren oder zu falsifizieren.

Prinzip 4: Menschen mit Respekt und Würde behandeln
Menschzentriert zu sein basiert auf einem tiefen Respekt für Menschen. Wenn das Zielpublikum beispielsweise aus Erwachsenen besteht, bedeutet das ihre Entscheidungen zu respektieren. Wir dürfen nicht einige Lernziele für wichtiger halten als andere: Ob jemand einen Kurs belegt, um an einem persönlichen Projekt zu arbeiten oder ein Business zu gründen – beides sind gleich valide Gründe. Unsere Aufgabe im Training-Management ist es, die Lernenden zu unterstützen und ihnen Orientierung zu geben, dabei aber immer zu respektieren, dass sie ihre eigene Zukunft gestalten.

Prinzip 5: Bedeutende positive Lernerlebnisse gestalten
Die Aufgabe von menschzentriertem Training-Management ist es, hochqualitative Trainingsprogramme aufzubauen. Das bedeutet, dass die Lernenden ihre Lernziele erreichen, aber auch, dass sie dabei positive Lernerlebnisse haben. Menschen haben immer Erlebnisse, und wir können nicht bestimmen, wie jemand einen Kurs erleben wird. Aber wir können unser Bestes geben, um sie so wertvoll und angenehm wie möglich zu machen. Ein fundiertes Verständnis der Zielgruppe hilft dabei, dies zu erreichen.
Menschzentriert zu sein bedeutet auch, an langfristigen, nachhaltigen Lösungen zu arbeiten. Es macht keinen Sinn, etwas zu schaffen, das zwar im Moment ein positives Erlebnis schafft, das zukünftige Erleben jedoch verschlechtert.
Menschzentrierte Ansätze sich auch inklusiv: Sie konzentrieren sich nicht auf ein Publikum und ignorieren ein anderes. Stattdessen versuchen sie, die Bedürfnisse verschiedener Gruppen in Einklang zu bringen und dabei jede Person einzubeziehen, die von dem Produkt oder Service betroffen ist, das wir gestalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Person dafür zahlt oder nicht.

Zusammenfassung
Bildung ist zutiefst menschzentriert: Alles was wir als Bildungsanbieter:innen tun zielt darauf ab, anderen Menschen zu ermöglichen, ihr Potenzial zu erreichen und dabei positive Lernerlebnisse zu haben. Dies im Kopf zu halten hilft uns dabei, die großen Risiken von Bildung für digitale Skills anzugehen: sich nur auf Technologie zu konzentrieren, Stellvertreter:innen und Platzhalter-Daten nutzen, und sich zu sehr auf seine Annahmen zu stützen. In meinem nächsten Beitrag werde ich beschreiben, wie man dieses menschzentrierte Denken in der Praxis auf Training-Management anwenden kann.
Hinweis: Die Ansichten in diesem Artikel sind meine eigenen.