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Portraits und Daguerreotypien: neue Anregungen

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Schlagworte: DaguerreotypiePortrait

Was macht ein gutes Portrait aus? Nachdem ich bereits vor einigen Wochen einige Thesen zur Portrait-Fotografie ausgestellt habe, hat mich Jeff Curtos Podcast „The History of Photography“ zu weiteren Ideen gebracht. Curto, ebenfalls verantwortlich für den Podcast Camera Position zu den kreativen Aspekten der Fotografie, behandelt dort eine der frühen Formen der Fotografie: die Daguerreotypie.

Die Daguerreotypie als fotografisches Verfahren

historische Portrait-Aufnahme
Daguerreotypie von Southworth und Hawes

Die Daguerreotypie wurde 1839 von Louis Daguerre (nach umfassender Vorarbeit von Joseph Nicéphore Nièpce) entwickelt. Das Bild wurde dabei auf einer Platte fixiert, die mit einer chemischen Verbindung aus Silber und Halogenen beschichtet wurde und anschließend unter Quecksilberdampf entwickelt werden musste. Das Silber verleiht einer Daguerreotypie einen attraktiven Glanz, bewirkt aber auch, dass die Aufnahme nur aus einem bestimmten Betrachtungswinkel gut zu erkennen ist.

Im Ergebnis sind Daguerreotypien unglaublich detailreich und scharf. Jede Aufnahme ist ein Unikat, das sich nicht vervielfältigen lässt. In den 1840er und 1850er Jahren waren Daguerreotypen sehr beliebt, da sie günstiger als ein gemaltes Portrait und detailreicher als andere fotografische Verfahren (wie die Talbotypie) waren. Das Beispielbild ist eine Daguerreotypie von Wendell Philips, hergestellt um 1850 von Southworth und Hawes (entnommen der Flickr-Seite der Boston Public Library, veröffentlicht unter einer Creative Commons Attribution-Lizenz).

Southworth und Hawes: frühe Wegweiser in der Portrait-Fotografie

Daguerreotypien waren ein Medium für Portraits. Die Menschen ließen sich massenweise in Silber ablichten. Zu groß war die Verführung, über Fotografie räumliche und zeitliche Distanzen zu überwinden und das Gefühl zu bekommen, eine Person sei (wenn auch nur im Bild) immer anwesend.

Das Bostoner Duo Albert Sands Southworth und Josiah Joseph Hawes, aktive Daguerreotypisten von 1843 bis 1862, zeigt dabei exemplarisch die Spannbreite - und gibt noch heute Anregungen, wie ein gutes Portrait auszusehen hat. Und so haben sie mich dazu angeregt, meine fünf Anregungen ein wenig auszuweiten. Zahlreiche Beispiele für ihre Arbeit gibt es beim American Museum of Photography.

Der Ausdruck: zentrales Mittel der Aussage

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man eine Person kennen muss, um eine gute Aufnahme von ihr zu machen, allerdings scheint mir diese Aussage heute etwas zu ungenau. Denn immerhin ist eine Person immer viel mehr, als jemals in einer Fotografie auszudrücken wäre. Also bleibt nichts anderes übrig, als sich einen Aspekt herauszusuchen - am besten möglichst repräsentativ - und ihn darzustellen. Und so wird der Ausdruck im Gesicht des Portraitierten zum wichtigen Mittel zur Gestaltung, das durch andere Elemente verstärkt werden kann:

Expression is everything in a daguerreotype. All else,--the hair --jewelry --lace-work --drapery or dress, and attitude, are only aids to expression. It must at least be comfortable, and ought to be amiable. It ought also to be sensible, spirited and dignified, and usually with care and patience may be so.
A. S. Southworth, 1854

Die Rolle des Fotografen: ein Spiel mit Licht

Licht ermöglicht erst eine Fotografie, zugleich definiert es umfassend seine Aussage. A. S. Southworth gibt dazu eine Anregung für eine interessante Übung: Learn to look and see the difference under different lights in the same faces. Learn to see the fine points in every face, for the plainest faces in the world are human faces, belonging to human beings...

Ein Spiel mit Licht - und verschiedenen Beleuchtungen - kann uns also dazu führen, die gewünschte Aussage zu verstärken. Unter diesem Gesichtspunkt scheint ein gutes Gespür für Beleuchtungen für einen Fotografen wesentlich wichtiger zu sein als technische Voraussetzungen - sie sind lediglich das Mittel zum Zweck.

Authentizität als Ziel?

It should be the aim of the artist-photographer to produce in the likeness the best possible character and finest expression of which that particular face or figure could ever have been capable. But in the result there is to be no departure from truth in the delineation and representation of beauty, and expression, and character.
A. S. Southworth, 1870

Eine Fotografie ist immer eine Fotografie von etwas oder jemandem. Sie trifft also immer eine Aussage über das, was sie darstellt. Wenn wir uns auf die Fahne schreiben, dass Portraits eine Aussage über eine Person treffen sollen, müssen wir uns also um Authentizität bemühen: unsere Aufnahme darf nichts andeuten, das zur dargestellten Person nicht passt. Und so liest Roland Barthes in seinem weltberühmten Buch „Die helle Kammer“ Charaktereigenschaften aus dem Portrait einer Person.

Aber ist ein Portrait zwangsläufig auf diesen „dokumentarischen“ Bereich der Fotografie beschränkt? Oder kann es nicht auch mehr aussagen, uns Geschichten erzählen, Möglichkeiten aufzeigen, die einer Person nicht bewusst sind? Rike> hat mich in den Kommentaren zu meinem letzten Beitrag auf dieses Spiel mit Rollen und inszenierter Atmosphäre hingewiesen. Was meint ihr dazu?

To be continued…

Da sich mein kleiner geschichtlicher Ausflug in meinen Augen als wertvoll erwiesen hat, werde ich in Zukunft in weiteren Beiträgen darüber bloggen, was uns die Geschichte über zeitgemäße Portraits lehren kann. Es bleibt also spannend.